20 Mar
20Mar

Ich sass auf einem Hügel. Die Sonne schien heiss und strahlend auf mich herab. Doch ich empfand es nicht als Hitze – im Gegenteil - ich genoss jeden Sonnenstrahl auf meiner Haut. Neben mir sassen noch andere Menschen. Wild durcheinander. Frauen und Männer. Waren es Touristen? Oder wie ich, Träumer? Ich blickte von dieser riesigen Sanddüne in die Ferne. Ich sah nicht nur Sand. Nahe dem Horizont konnte ich Palmen sehen und grün bewachsene Felder. Ich konnte Arbeiter erkennen, die in gebückter Haltung in diesen Feldern arbeiteten. Die Sonne reflektierte die Schweissperlen auf ihren Rücken. Sehr zufrieden überlegte ich, wie glücklich ich mich schätzen kann, nicht auf diesen Feldern arbeiten zu müssen. Rechts von mir war eine grosse Stadt. Es ist völlig irrelevant, welches Jahr wir schrieben. Geschweige denn welchen Tag. Alles was zählte war, dass ich hier war. Ich genoss die Wärme der Sonne und die Sandkörner, die unter meinem Hintern leise knirschend und reibend bei jeder Bewegung nach unten rieselten. Gleich unten am Fuss des Hügels war eine Ruine. Eine alte Ruine der Pharaonen. Ich kannte diesen Ort nur zu gut. Ich war schon etliche Male hier. Ich war schon unter dieser Ruine in den geheimen Gängen unterwegs. Riss eine riesige Mauer nieder, um an die versteckten Räume dahinter zu gelangen. Konnte all die Malereien an den Wänden begutachten und wusste genau, wo was lag. Ich war als Entdeckerin hier, als Ausgräberin, als Priesterin und jetzt als Touristenführerin. Ich konnte mich nicht lange entfernen von diesem Ort. Ich wurde davon angezogen wie ein Magnet. Ich sass nun auf dieser Sanddüne, hörte nur mit halbem Ohr zu, was um mich herumgesprochen wurde. Meine linke, von der Sonne gebräunte Hand, fuhr durch den Sand. Der Sand fühlte sich weich an. Gar nicht grobkörnig. Fasziniert beobachtete ich, wie meine Finger Bahnen in den Sand gruben. Während dem Wischen glitzerte der Sand darunter wie flüssiges Gold. Verträumt sah ich dem Gold darunter zu. Strich immer wieder mit meiner Hand über den Sand. Der Sand unter meinen Fingern, der wie Gold schimmerte. Wie schön doch mein Leben war! Ich konnte an der frischen Luft sein. Die Wärme der Sonne spüren. Sass in flüssigem Gold und konnte anderen, die sich für die Geschichte dieses Landes interessierten, alles erzählen, was ich wusste. Mein Wissen war tief in mir. Ich wusste von jedem Leben, welches ich gelebt hatte, noch alles. Bis ins Detail. Völlig verblüfft hingen dann die Leute an meinen Lippen und lauschten meinen Worten. Ich fühlte mich sehr wohl. Wollte nie mehr wieder von hier weg. Hier ist meine Heimat. Hier bin ich zu Hause. 

Ein Mann, der leicht oberhalb von mir sass, rief mir zu, dass nun die Pause vorbei sei. Ich klopfte meine Hände aneinander und sprang leichtfüssig den Hang hinunter. Unten am Hügel warteten bereits einige Menschen darauf, dass ich sie nun in diese Ruine führe. Dieses Mal waren es keine Touristen. Ich erkannte, dass es Wissenschaftler waren. Ich sah mir einen nach dem anderen an. Schätzte ein, wie ihre finanzielle Situation wohl sei und winkte ihnen hastig zu. Schliesslich hing mein Tagesgeld davon ab, wie gut betucht die Besucher waren. Ich lief vor ihnen her. Die kleine Gruppe - sie waren lediglich zu viert - eilten hinter mir her. Sie konnten kaum Schritt halten. Bei der Ruine angekommen, fing ich an über die Geschichte dieser Stätte zu erzählen. Ich erläuterte es jedes Mal ein wenig anders. Die hohen Säulen ragten über unsere Köpfe. Reich verziert mit Hieroglyphen und Zeichnungen von dem Pharao, der diese Stätte gebaut hat. Ich wies sie auf verborgene Räume hin und führte alle an eine kleine Rampe, die hinunter ins Erdenreich führte. Ich erklärte ihnen, dass es unten sicher sei. Vorsichtig liefen sie die Rampe hinunter. Ich schaute mich aufmerksam um und folgte ihnen. Vor einer Wand mit mehreren Eingängen blieben sie stehen, um miteinander zu diskutieren. Während sie am Reden waren, schlenderte ich zu einer anderen Wand links von mir. Ich wusste, dass dahinter etwas war, doch ich konnte immer noch nicht herausfinden, wie ich hinter diese Wand gelangen könnte. Als leitende Arbeiterin an diesem Ort, lag es an mir, herauszufinden, ob noch weitere Räume und Gänge existieren. Ich strich mit meinen Händen über die raue und doch polierte Oberfläche. In diesem Bereich war es nicht so hell. Nur die kleine Vorhalle, in der die Wissenschaftler standen, war mit Lampen beleuchtet. Ich tastete mich an der Wand entlang in Richtung Dunkelheit. Ich war schon oft bei dieser Wand. Deswegen wusste ich genau, wie lange die Mauer war. Drei Meter lang, zwei Meter hoch. Als ich mit meinen Fingern an eine überaus exakte Ecke stiess, kehrte ich mit meinen Händen tastend wieder zurück in Richtung Ausgangspunkt. Diese Ecke führte nirgends hin. Sie endete wieder in einer Ecke und diese Ecke war ein Teil der Rampe, bei der ich mit den Wissenschaftlern heruntergekommen war. Ich fühlte mich langsam wieder zurück, als mir eine Idee kam. Bis jetzt war ich immer in aufgerichteter Position an der Wand entlang hin und her gelaufen. Für die Bewohner hier war ich recht gross mit meinen 188 Zentimetern. Die meisten waren unter 1.75 Meter oder noch kleiner. Vielleicht muss ich mich ein wenig bücken? Ich ging in die Knie und bewegte mich auf meinen Mittelfussknochen der Füsse langsam vorwärts. Ich hatte die Augen geschlossen, damit ich mich nur auf mein Tastgefühl verlassen konnte. Die Ägypter waren einfallsreich. Vieles lag nicht im Auge des Betrachters, sondern im Tast- oder Geruchssinn. Auf einmal fühlte ich eine Einkerbung unter meinem rechten Zeigefinger. Ich führte die Fingerkuppe meines linken Zeigefingers heran und spürte eine Art Knopf in einer Vertiefung. Ich machte die Augen auf und blickte völlig aufgeregt zu den Wissenschaftlern. Doch die waren bereits weitergegangen und hatten gar nicht bemerkt, dass ich nicht mehr bei ihnen war. ‘Ist ja sicher hier, denen passiert schon nichts. Drinnen sind ja noch Arbeiter, die einen frisch entdeckten Gang freilegen’, dachte ich mir. Ich wandte mich wieder der Wand zu. Schloss meine Augen und drückte mit beiden Zeigefingern auf diesen Knopf. Nichts passierte. Ich versuchte es noch einmal. Wieder nichts. Mist! Verärgert setzte ich mich hin und überlegte. Wenn das ein Öffnungsmechanismus war, dann war der vermutlich eingerostet nach diesen Jahrtausenden, die vergangen waren. Ich grübelte und strich mit meinen Händen über den staubigen Boden. Ich spürte einzelne kleinere, längere Steine am Boden. Längere Steine? Ich nahm einen hoch und hielt ihn ins matte Licht, welches ganz schwach zu mir herüberschien. Der Stein war glatt und leicht eckig. Nicht natürlich, sondern offensichtlich so geschliffen worden. Ich konnte weitere Steine erkennen. Jeder war etwa ähnlich gestaltet. Alle länglich, glattpoliert und eckig. Doch nicht alle waren gleich eckig. So, als hätte jemand versucht, verschiedene Möglichkeiten von Ecken zu probieren. Wie ein Schlüssel. Ein Schlüssel! Das war es! Ich musste gar nicht den Knopf drücken! Es war ein Schloss! Fieberhaft suchte ich alle länglichen Steine, die am Boden lagen. Ich robbte herum bis zur finsteren Ecke. Ich sammelte alle länglichen Steine ein, die ich ertasten konnte und robbte wieder zurück zu diesem Knopf. Einen nach dem anderen probierte ich nun aus. Ich konnte mit meinen Fingern nicht fühlen, was für eine Form das Schloss hatte. Jeden gefundenen Stein steckte ich in die Einkerbung und drückte oder drehte. Doch nie passierte etwas. Entnervt warf ich die Steine auf den Boden und setzte mich wieder hin. Ich musste nur herausfinden, welche Form das Schloss hatte. Ich stand auf und lief zur Rampe hinaus ins Freie. Mittlerweile war es Abend geworden. Die Ruine wurde beleuchtet von verschiedenen Scheinwerfern. Dieses Mal hatte ich keine Augen für die Schönheit der Stätte. Die Wissenschaftler standen um einen Tisch und redeten eifrig miteinander. Ich beachtete sie nicht und ging zu meinem Zelt. Ich wühlte in meinen Sachen, bis ich fand, was ich suchte. Eine Art Knetmasse. Ich spurtete wieder zurück. Die Anlage war nicht mehr lange offen. Ich musste im Eiltempo herausfinden, welche Form das Schloss hatte! 

Bei der Mauer angelangt, suchte ich wieder zuerst die Furche und drückte die Knetmasse hinein. Vorsichtig zog ich diese wieder heraus. Ich musste nun einen Schlüssel anfertigen lassen, welcher der Form entsprach. Dann konnte ich herausfinden, was hinter der Mauer lag. Endlich! Nach so langer Zeit würde ich wissen, was dahinter lag! Als ich wieder draussen war, ging ich schnurstracks zu meinem Kumpel Asid. Er war Steinmetz und konnte mir sicher helfen. Ich zeigte ihm die Knetmasse und er versicherte mir, dass er am nächsten Tag den Schlüssel aus Stein angefertigt hätte. Ich klopfte ihm dankbar auf die Schulter und ging zu meinem Zelt, wo ich mich auf meine Matte legte und sofort einschlief. Ich brauchte Kraft für den morgigen Tag.

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